Fett und träge sind wir geworden. Nicht nur körperlich, geistig. Wir lebten zu lange, zu gut von den Früchten, die unsere Eltern und Großeltern mit hohem Einsatz gepflanzt haben. Viele von ihnen haben im Kampf um bessere Arbeitsrechte gelitten. Auf Demonstrationen und in Streiks forderten Arbeiterinnen und Arbeiter kürzere Arbeitszeiten, sichere Arbeitsbedingungen, soziale Absicherung und politische Teilhabe – oft unter Einsatz von Gesundheit, Freiheit und Leben. Ihre Kämpfe führten zur Gründung von Gewerkschaften, zu Arbeitszeitgesetzen und einem System sozialer Sicherheit.
Sind wir im Denken wirklich weiter als die Menschen zu Aristoteles’ Zeiten – oder nur besser im Schönreden? Er nannte den Sklaven damals noch ein „beseeltes Werkzeug“.
Wie verwerflich!
Zweitausend Jahre Weiterentwicklung später heißen diese Werkzeuge „Mitarbeitende“, „Team-Member“, gar „Leistungsträger“. Schöne Worte, aber in der Bilanz sind sie lediglich eine Kostenstelle.
Alle wollen heute auf der richtigen Seite stehen.
Moral ist kein Wert mehr, sondern Werbefläche.
Man trägt sie wie ein Designer-Shirt – glänzend, sauber und völlig überteuert.
Empörung ersetzt Nachdenken, Haltung ersetzt Inhalt.
Die neue Tugend heißt Zustimmung – alles andere gilt als Makel.
Wer fragt, gilt als gefährlich. Wer widerspricht, als verdächtig.
Moral ist zum Spektakel geworden: laut, kurzatmig, selbstverliebt.
Wer kennt die Szene an der Ampel nicht? Motor abgestorben. Der Hintermann hupt und blendet auf. Rücksicht hingegen wäre leise: fünf Sekunden Geduld – mehr bräuchte es nicht. Doch diese Zeiten sind vorüber. Blitzgewitter und Dauervibrato sind ständige Begleiter im Straßenverkehr. Na klar, „viel hupen hilft viel“ – vor allem beim Vorankommen.
Ich habe die Schnauze voll von der moralischen Überheblichkeit. Ich habe die Schnauze voll von der intellektuellen Faulheit. Ich habe die Schnauze voll von der reflexhaften Gleichsetzung: Rechts = Nazi.
Diese Gleichung ist das Mathe-Niveau der Empörten. Die Formel ist aber nicht nur falsch – sie ist brandgefährlich. Sie ersetzt Nachdenken durch Empörung, Argumente durch Abwertung und Dialog durch Ausgrenzung.
Vor 45 Jahren zitterte die Menschheit vor einer angeblich drohenden Eiszeit. Doch damals hatte Panik irgendwie noch Stil. Niemand klebte sich deswegen auf die Straßen. Bildung und gesunder Menschenverstand reichten offensichtlich aus, um nicht gleich hyperventilierend den Weltuntergang herbeizutwittern, nur weil Hephaistos angeblich morgen mit seinem Kohlegrill die Erde ankokeln könnte.
Die Kirche hinter uns gelassen, könnte man denken, wir hätten die Entfremdung überwunden. Doch weit gefehlt. Ein neuer Demiurg wurde erschaffen: die Übermoralisten. Nun herrschen sie über uns – anstatt Gottes selbsternannte Vertreter auf Erden. Mal sehen, wie lange das auf Dauer gut geht.
Was jedoch über die Jahrhunderte gleichgeblieben ist: Kreuzzüge gegen Ungläubige!
Experten sind sich einig: Putin wird Deutschland nicht vor 2028 angreifen. Wie nett! Der Russe gibt uns Zeit bis wir brav das frisch bewilligte Sondervermögen in moderne Waffensysteme investiert haben. Ein respektvoller Akt kriegerischen Humanismus: Putin beginnt seinen Angriffskrieg auf Deutschland erst, wenn es unserer Bundeswehr in den Kram passt.
