Kritik ist von der Sache her stets unschuldig, auch dann, wenn oder vor allem, gerade wenn sie aus dem vermeintlich falschen Lager kommen mag. Erst die Kritik macht es überhaupt möglich, eine bestehende Gegebenheit neu zu betrachten, neu zu beurteilen, um in Folge dessen einen Diskurs in Gang zu setzen. Somit ist Kritik nichts böses, sie ist lediglich ein Anfang. Und deswegen muss sie jederzeit geäußert werden dürfen, egal ob subjektiv oder objektiv, negativ oder positiv, fachmännisch oder eben nicht. Wird Kritik nicht objektiv betrachtet, wird genau dieses Handeln zum Vorurteil, folglich irgendwann zum Schuldspruch, in extremen Fällen gar zur Hexenjagd. Kritik ist schlicht ein anderer Blickwinkel, die Einordnung in einen anderen Kontext. Kritik mag vielleicht nicht immer gerechtfertigt sein, doch sollte sie stets frei geäußert werden dürfen.
Der Weg indessen, der nach der Kritik als Konsequenz beschritten werden soll, ist entscheidend. Die Schlussfolgerungen können im Gegensatz sehr wohl gefährlich sein, keine Frage, aber noch gefährlicher ist es, Kritik pauschal zu verurteilen, nur weil sie aus vermeintlich unpassender Quelle stammt. Und ohne Kritik kein Diskurs! Diskurs führt schließlich zu einer Auseinandersetzung mit einem Thema und somit überhaupt erst zu einer Chance, etwas zu ändern, zu verbessern. Ehrlich gesagt bereiten mir Menschen mehr Angst, die Kritik verurteilen, als Menschen, die vermeintlich „falsche“ Kritik äußern.
Menschen, die Kritik pauschal verurteilen, weil sie aus dem „falschen Lager“ kommt, sollten sich fragen, ob sie damit möglicherweise wertvolle Impulse ignorieren. Denn nur durch offenen Dialog und respektvollen Austausch unterschiedlicher Meinungen können wir als Gesellschaft wachsen und lernen.
Ich bleibe dabei: Es gibt keine falsche Kritik. Natürlich weiß ich, dass Kritik ein wirksames Mittel für Populisten ist. Deshalb gilt es hinzuschauen. Zu prüfen, wohin der Weg danach führt. Was intendiert derjenige mit seiner Kritik? Mir scheint, viele Menschen sind nicht mehr in der Lage, genau das zu unterscheiden.
Ach ja, einen hab ich noch:
Wenn nur noch gleiche Meinungen zugelassen werden, die uns als einzig wahren Thesen angedreht werden, so opfern wir auf kurz oder lang die Synthese. Die Antithesen darf nicht verbannt werden, nur weil sie eventuell Verschwörungstheorie sein könnten. Wir als freie Gesellschaft brauchen den Diskurs, so wie die Bildung die Freiheit. Ansonsten setzen wir den Grundsatz der freiheitlichen Gesellschaft aufs Spiel, hören gar auf, uns weiterzuentwickeln. Das sollten die guten Menschen, die für sich die einzige Wahrheit der Wissenschaft proklamieren doch am Besten wissen, oder? Menschen mit andern Meinungen auszugrenzen, zeugt nicht nur von einer intoleranten Gesellschaft, sondern weißt totalitäre Züge auf. Meinungen müssen kontroverse diskutiert werden. Immer! Wenn Menschen mit anderen Meinungen oder Ideen pauschal ausgeschlossen werden, hat das mit einer freiheitlichen Demokratie, mit einer aufgeschlossenen Gesellschaft, mit progressiver Wissenschaft nichts mehr zu tun. Kritik delegitimiert nicht. Genau so wenig wie Satire!
Text nachgebessert am 29.06.2024
Bild: sergeitokmakov von Pixabay