Angst vorm schwarzen Mann

Angst vorm schwarzen Mann

(Kleingedrucktes vom 08.12.2020) Hinweis in eigener Sache: Diesen Text habe ich Anfang August begonnen zu schreiben und zu diesem Zeitpunkt gab es fast keine Berichterstattungen über Impfstoffe oder Medikamente.

Egal welches Medium ich zur Zeit für Neuigkeiten heranziehe, überall das gleiche Bild. Graphen, Statistiken, Hochrechnungen, Einschätzungen und Landkarten mit tiefroten Flecken von Neuinfektionen durch das Corona-Virus. Auch im Radio das immer gleiche. Und das bereits morgens, bevor ich in den Spiegel geschaut habe. Warum berichtet die Freie Presse nicht mehrmals täglich über den Fortschritt bei der Entwicklung von Impfstoffen und Medikamenten? Wenn ein Virus die Welt verunsichert, sollten doch genau solche Nachrichten in den Focus gerückt werden. Auf jeden Fall würde ich als Süddeutscher genau das hören wollen. Sie etwa nicht?

Neuinfektionen sind wichtig für Auswertungen, um angemessen auf Gefahren hinweisen zu können. Ich muss aber nicht stündlich auf sämtlichen Kanälen über das Zahlenwerk informiert werden. Mich interessiert viel mehr, wann können wir den Virus endlich eindämmen? Gibt es einen groben Zeitplan? Wie viele Wissenschaftler arbeiten weltweit an der Entwicklung von Impfstoffen und Medikamenten? Könnte der Impfstoff aus Russland was taugen? Gibt es Medikamente, die bereits wirken oder so verändert werden, dass sie wirken könnten? (Interview mit Virologe Streeck auf BR5; ab Minute 03:20).

Ich brauche keine Experten, die mir mehrmals täglich irgendwelche Graphiken oder Statistiken von Neuinfektionen präsentieren, möchte ich schließlich keine Corona-Aktien erwerben

Wenn ein Virus so verheerend ist, wieso höre ich nicht jeden Tag Meldungen wie: Wissenschaftler stecken alle möglichen Ressourcen in die Erforschung von Impfstoffen und Medikamenten. In Zeiten einer Pandemie interessieren mich irgendwelche bescheuerten Vorurteile gegen Personen oder ganze Länder wenig bis gar nicht. Meinem Verständnis nach sollte jeder Wissenschaftler, jeder medizinische Student, egal aus welchem Land, egal welcher Gesinnung, daran arbeiten, den Killervirus zu besiegen. Ja, solche Meldungen wären in meinen Augen viel wichtiger!

Neuerdings ist der Wirtschaft und deren Vertreter unsere Gesundheit wichtig?

Seit wann eigentlich sind unsere Politiker so sehr um das Wohl ihrer Regierten besorgt? Die letzten Jahre haben sie sich außerhalb von Wahlkämpfen nicht gerade fürsorglich um unsere Gesundheit gekümmert. So entschlossen, strikt und geschlossen gingen unsere Volksvertreter bisher gegen keins der anderen todbringenden Ereignisse vor (Herzerkrankungen wegen falscher Ernährung, multiresistente Krankenhauskeime*, Blutvergiftung, Alkohol, Zigaretten, Unfalltote, Luftverschmutzung oder Ausrutschen in Badewannen). Obwohl solche Maßnahmen teilweise einfacher umzusetzen wären. Nebenbei bemerkt, jeder Erkältungsvirus kann zu Herzversagen führen, aber nur bei Corona wird in den Medien wiederholt auf diese Gefahr hingewiesen. Warum nicht bei jeder anderen Grippewelle auch, ist das nur Panikmache?

Hauptsache es gibt eine klar erkennbare Linie

Und was sollen solche Meldungen wie aus dem Tagesspiegel: „Haben deutsche Mallorca-Urlauber ein zweites Ischgl riskiert?“. Versteh ich nicht. Warum haben die Urlauber das riskiert, wenn das Reisen von den Regierungen wieder erlaubt wurde? Jeder Politiker in Deutschland und Spanien müssten sich darüber im Klaren gewesen sein, der Großteil deutscher Touristen verbringt seinen Urlaub nicht auf Malle, um dort Kultur zu genießen, schon gar nicht mit Mundschutz und dem nötigen Abstand.
Wenn die Ansteckungsgefahr bei Reiserückkehrer tatsächlich so besorgniserregend ist, warum wurden Corona-Tests bei den Einreisenden wieder zurückgeschraubt oder war das nur eine Maßnahme, weil die Labore überlastet sind? Nach fünf Monaten aktiver Pandemie erwarte ich von Politik und Medizin eigentlich, sich auf die Krise vorbereitet zu haben. Mangelnde Kapazität in Laboren sollten jetzt kein Grund mehr sein. Und warum behauptet Söder, die Labore hätten genügend Kapazitäten? Und warum gibt es so viele Pannen bei den Tests? Ich versteh das alles nicht. Die Pandemie ist ja nicht erst gestern ausgebrochen und Deutschland ist eines der hochentwickeltsten Länder weltweit. So sagt man wenigstens.

Keine Partys oder Großveranstaltungen. Kann ich nachvollziehen. Sind aber diejenigen, die von Berufs wegen täglich mit vielen verschiedenen Menschen in Kontakt stehen müssen, ausreichend geschützt? Haben Verkäufer_Innen, Zug- und Flugbegleiter_Innen, Busfahrer, Taxifahrerinnen, Paketzusteller, Polizisten, Ärzte wegen des ständigen Kontakts zu Kunden oder Patienten ein erhöhtes Ansteckungsrisiko? Wie schaut es bei den Menschen aus, die jeden Tag mit den Öffentlichen zur Arbeit müssen? Reicht zum Schutz all dieser Menschen die Maßnahmen aus, Mund-Nasen-Schutz zu tragen und vielleicht mal regelmäßiger die Hände zu waschen? Können Ansteckungsketten so wirkungsvoll unterbrochen werden? Wenn ja, warum sehe ich so viele Kassierer, Paketzusteller und Polizisten ohne Maske? Und sind nicht gerade Angestellte in den Supermärkten am meisten gefährdet? Sie begegnen jeden Tag hunderten verschiedenen Kunden, doch habe ich nie gehört, dass besonders diese Berufsgruppe von Corona betroffen sei. Was ist deren Geheimnis im Schutz gegen das Virus?

Angst wird uns nicht aus der Krise führen

Warum dürfen in Berlin 500 Personen gemeinsam feiern, in Hamburg aber nur 25? Ist Hamburg für das Corona-Virus etwa attraktiver als Berlin? Apropos Versammlung: Ich finde die Anliegen so mancher Demos mehr als bescheuert, doch die Meinung der Anderen zu tolerieren - solange sie sich im Rahmen der Gesetze bewegen - ist eine wichtige Säule funktionierender Demokratien. In einer freien Gesellschaft Demonstrationen zu verbieten, löst leichtes Unbehagen bei mir aus, zumal laut Gesundheitsämtern nach (Massen-)Veranstaltungen im Freien die Cornoa-Fälle nie signifikant angestiegen sind. Das Robert Koch-Institut geht momentan sogar davon aus, dass sich die meisten daheim oder in Altenheimen anstecken.

Die Meldung kann ich allerdings ebensowenig nachvollziehen. Wie können sich Privatpersonen in den eigenen vier Wänden infizieren? Hatten die etwa Fledermäuse aus China oder Urlauber aus Ischgl zu Besuch? Und warum sind so viele alte Menschen in den Seniorenheimen an COVID-19 erkrankt? Wer hat den Virus dort eingeschleppt? Ich denke nicht, dass Senioren nachts heimlich aus ihren Anstalten ausgebrochen sind, um bei Aprés-Ski-Partys abzufeiern.
Hätte man die Risikogruppe „Senioren“ nicht einfach schützen können, indem alle Besucher vor Betreten der Altenheime sich die Hände desinfizierten und einen Mund-Nase-Schutz trügen? Oder wenn man alle Pfleger einfach mit angemessener Schutzausrüstung ausgestattet hätte?

Und ganz allgemein gefragt: Wie stehen die Neuinfektionen der letzten Wochen mit den Zahlen der Test und der wirklich Kranken in Relation? Sind alle Infizierten auch krank? Steckt sich jeder auch an, wenn er mit Infizierten in Kontakt tritt? Und wie viele tragen den Virus schon unbemerkt in sich und zeigen nur leichte oder gar keine Symptome? Kann man nach einer Infektion überhaupt noch nachvollziehen, wer wen wann den Virus weitergeben hat?
Wenn ich in einer Demokratie weggesperrt werde, möchte ich solche Fragen möglichst umfangreich beantwortet wissen. Lediglich das Verkünden irgendwelcher Neuinfektionen oder Todeszahlen zu jeder vollen Stunde empfinde ich nicht unbedingt vertrauensfördernd.

Hinterher weiß man stets mehr, is ja logisch. Es ist menschlich, wenn Politiker und Wissenschaftler sich geirrt haben, jedoch müssen gewonnene Erkenntnisse transparent kommuniziert werden. Nicht, dass wir am Ende vor lauter Angst noch unsere Freiheit vergessen.

Werden wir in Zukunft überhaupt noch gleichzeitig gesund und frei sein können?

Unsere Regierung hat zusätzlich zu Artikel 8 (Versammlungsfreiheit) auch noch die Artikel 2, 11, 12, 13 und 14 unseres Grundgesetzes aufgeweicht. Waren diese Maßnahmen angemessen oder unverhältnismäßig? Ich weiß es nicht, aber auf keinen Fall dürfen unsere Grundrechte auf Dauer einschränkt bleiben. Ich bin der Meinung, darüber sollten die Medien jeden Tag, jede Stunde berichten, denn Corona-Maßnahmen gefährden unsere Freiheit! In jeder Sendung zu COVID-19 müsste es eigentlich dementsprechende Warnhinweise geben, ähnlich denen auf Zigarettenverpackungen.
Ich weiß, ein heikles Thema in diesen Zeiten, doch „wehre den Anfängen“.

Unerwünschte Nebenwirkung der Pandemie: Ein Geschwür, das uns von innen zerfrisst

In letzter Zeit nehme ich vermehrt wahr, wie leicht es vielen wieder fällt, mit dem Finger auf Andersdenkende zu zeigen. Ich meine damit nicht die üblichen Verdächtigen, von denen würde ich es erwarten. Ich spreche von uns allen, unserer Gesellschaft, aber ganz besonders von den sogenannten Intellektuellen (wer immer sich da angesprochen fühlen mag?).
Es scheint wieder normal zu sein, Menschen, die eine andere Meinung haben, zu labeln als Verschwörungstheoretiker, Impfgegner, Corona-Leugner und was weiß ich noch alles. Ja, es gibt Verschwörungstheoretiker, Impfgegner, Corona-Leugner und was weiß ich noch alles! Aber wollen wir wirklich wieder anfangen, all jene pauschal zu ächten, deren Meinung nicht in unser perfektes Weltbild passt?
Ich muss nicht alle Meinungen teilen, mir ist es aber wichtig, dass jeder äußern darf, was er will (natürlich ohne Gesetze zu überschreiten)! So auch Wissenschaftler, die eine andere Meinung haben. Sie einfach an den Pranger zu stellen, ohne ihnen eine Chance zu geben, sich in einen der unzähligen Talkshows im Fernseher mit anderen austauschen oder rechtfertigen zu dürfen, empfinde ich als die schlimmste Bedrohung für eine Gesellschaft, schlimmer noch als die Pandemie. Die Corona-Maßnahmen sind kein Dogma und nicht jeder, der sie hinterfragt, wird automatisch zum Ketzer oder Abweichler.
Wir müssten eigentlich wissen, wie schnell Stigmatisierung zu Diskriminierung werden kann. Neugierig bleiben und nicht vorschnell verurteilen, sollte das Motto der Stunde sein, denn anhaltende Diskriminierung führt eine Gesellschaft all zu leicht an einen dunklen Ort.

Ach ja, Bill Gates geht mir im Zusammenhang mit Viren jeglicher Art völlig am Arsch vorbei

Einen hab ich noch (für alle Besserwisser, vorverurteilenden Wichtigtuer und Klugscheißer):
Ich halte die Handhabe, bei Kontakt mit Fremden eine Maske zu tragen, für sinnvoll. Es mag ja sein, dass andere beschlossene Maßnahmen übertrieben waren, aber wer wusste das im Vorfeld schon? Nicht mal Wissenschaftler können mit Gewissheit sagen, welcher der einzig wahre Weg gewesen wäre oder gerade ist. Ich will mit meinem Text in keiner Weise den Eindruck vermitteln, Corona sei eine riesige, von wem auch immer angelegte Verschwörung. Wir als Gesellschaft haben wichtigere Probleme und die sollten nicht im Wulst von Verschwörungstheorien untergehen.
So lange Wissenschaftler und Politiker nix genaues wissen, ist das Mindeste, was wir alle tun können, Maske tragen. Vielleicht ließe sich das sogar auf normale Grippewellen ausweiten oder auf Besuche im Krankenhaus, im Altersheim? Sie erinnern sich? Multiresistente Keime* usw. …

Manche mögen es vergessen haben, aber Rücksicht nehmen ist nicht schwer. Nur mal kurz, nicht an sich denken

Glauben Sie mir, ich finde die Corona-Regeln fantastisch. So hindert die Abstandsregel - zumindest in den meisten Fällen - andere Kunden in Supermärkten daran, sich beim Warten in der Schlange zur Kasse an meinem Rücken zu reiben. Denn nicht nur zu Corona-Zeiten bevorzuge ich es, zu unbekannten (manchmal sogar auch mir bekannten) Menschen einen Mindestabstand von 1,5 Metern einzuhalten. Jederzeit und überall! Darüber hinaus bin ich äußerst dankbar, Fremden momentan nicht die Hand schütteln zu müssen, schließlich weiß ich nicht, wo mein Gegenüber die vorher überall hatte. Ein falsches Lächeln meines Versicherungsvertreters unter seiner Maske reicht mir völlig aus.

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Nachtrag zu „Wehre den Anfängen“ weiter oben im Text:
Lauterbach fordert Kontrolle in Privatwohnungen.
Da fällt mir der Satz von DDR Staats- und Parteichef Walter Ulbricht von 1961 wieder ein:
Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten!


*Nachtrag (Nachfrage) zu multiresistenten Keimen (20.11.2020):
Ist irgendein Wissenschaftler eigentlich der Frage nachgegangen, ob Menschen mit COVID-19 in Krankenhäuser vielleicht auch deswegen sterben, weil sie beatmet werden? Mich interessiert dabei nicht so sehr, ob das Beatmen an sich falsch oder richtig ist (ARD Monitor), sondern eher, ob die Beatmungsgeräte mit multiresistenten Keimen (HA-MRSA) verunreinigt sind? Also sterben die Menschen mit COVID-19 auch tatsächlich an dieser Krankheit, oder weil sie in den Hospitälern zusätzlich mit multiresistenten Keimen belastet werden? Denn nicht nur an den Schläuchen von den Beatmungsgeräten haften die Keime, sondern auch an Kathetern, Spritzen und anderen Dingen und Orten. Krankenhäuser sind nicht so sauber, wie man sich das als Patient erhofft, vor allem, weil es an Personal fehlt. Ich weiß, die Symptome von multiresistenten Keimen (HA-MRSA) und COVID-19 sind unterschiedliche, doch wird das bei einer eventuellen Obduktion von Corona-Toten unterschieden?

Bild von Masum Ali auf Pixabay

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